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Aus den Augen aus dem Sinn

Ich erwache, ich öffne mein linkes Auge… Finsternis, ich öffne mein rechtes Auge… Finsternis, ich schliesse beide Augen wieder und zähle, eins… zwei… drei…, nun ist alles vorbei. Mit einem schnellen Aufschlag öffne ich beide Augen, jedoch wieder… Finsternis.

Die Welt vor meinen Augen ist verschwommen und ich fühle mich benommen. Irgendwo in der Ferne erkenne ich einen Umriss, jedoch habe ich davon keine Kenntnis. Zögernd richte ich mich auf, ich bewege meine Beine Richtung Bettkante und stelle meine Füsse auf dem Boden ab. Sobald meine Füsse Halt gefunden haben, richten sich meine Beine auf. Nun steh ich da, in meinem Zimmer und ich erkenne nichts.

Langsam taste ich mich zu meiner Tür. Doch plötzlich, zuerst ein dumpfer Knall, dann ein ohrenbetäubender Schrei, mein Schrei…

Ich bin gegen meine Kommode gelaufen. Nach zwei, drei Minuten führe ich meinen Gang fort. Endlich, in Schweiss gebadet und mit einem schmerzenden Schienbein erreiche ich meine Tür.

Wo befindet sich nun dieser verflixte Lichtschalter?

Meine Hand tastet die Wand danach ab. Nun habe ich dich endlich!!! Völlig erleichtert drücke ich den Schalter. Es werde Licht…

Geblendet vom grellen Licht reibe ich mir meine Augen. Nun öffne ich mein rechtes Auge wieder… ich erkenne nichts, dann öffne ich mein linkes Auge und schon wieder… nichts. Gleichzeitig schliesse und öffne ich meine beiden Augen wieder, doch ich sehe nicht klar.

Meine Gedanken drehen sich im Kreis, ich bin geschockt und verstehe die Welt nicht mehr. Was ist nur mit meinen Augen los? Spielen sie mir einen Streich? In meinem Kopf rattert es und aus meinen Ohren puffen kleine Rauchwolken.

Ich hab’s, warum bin ich nicht schon früher draufgekommen? Nun weiss ich was mir fehlt.

Langsam drehe ich meinen Körper wieder Richtung Bett. Ich setze einen Fuss vor den anderen, um mir nicht noch einmal Höllenschmerzen zuzufügen. Noch ein Schritt, doch dann gerate ich ins Wanken, nun gilt es auf die rechte Seite zu fallen, denn dort lande ich dank meinem Bett weich, auf der linken Seite würde ich wohl relativ unsanft auf den nackten Boden knallen.

Es kommt, wie es kommen muss, denn Hochmut kommt vor dem Fall. Irgendwie fühlt sich meine linke Seite des Körpers, der Pluspol, vom Minuspol des Bodens angezogen. Bereits liege ich von der Schwerkraft überwältigt und umgeworfen da. Ich bin gebodigt und ganz allein. Niemand wird mich aufheben, aufrichten. Ohne zu gaffen versuch ich mich aufzuraffen. Ich spüre meinen Zeh, der tut immer noch so weh, dennoch ich geh. Ich bewege mich weiter voran und dann ertaste ich sie…

Schnell ergreife ich sie, bevor sie mir wieder entwischt. Doch bekanntlich kommt ein Unglück selten allein. Bevor ich meine Hände vollständig um das Gestell zu klammern vermag, entwischt sie mir und fällt zu Boden. Ich spüre, wie die Wut langsam in mir hochsteigt. Hoffentlich ist nichts verbogen oder zerkratzt, und so drehen sich meine Gedanken im Kreis. Jetzt bloss nicht noch draufstehen, denn dann ist es vorbei. Also knie ich mich vorsichtig auf den Boden, weit kann sie doch nicht sein. Sich selbstständig machen, das kann sie doch nicht. Dennoch ist sie wie vom Erdboden verschluckt. Ich lege mich auf den Boden und suche mit zusammengekniffenen Augen meine Umgebung ab. Dann, meine Augen bleiben auf einem Gegenstand haften, ich pirsche mich, dem Löwen gleich, näher heran und schnappe mit einem schnellen Griff zu. Nun habe ich dich, du verflixtes Ding. Ich halte sie in meinen Händen, fest umklammert. Ich klappe zuerst den rechten Bügel auf und dann den linken. Nun platziere ich sie mittig in meinem Gesicht. Hinter den Ohren sitz alles und auch auf der Nase. Lange Rede kurzer Sinn, ich habe sie gefunden, meine Brille.

Wie sie da so sitzt auf meiner Nase und meine Augen auf die Welt lenkt und mich erkennen lässt. Auch jene dunklen Geschehnisse wie Kriege und Leid bleiben mir nicht verborgen. Ich brauche sie, meine Brille, um klar zu sehen. Ich brauche diesen scharfen Blick auf die Dinge um mich herum. Es ermöglicht ein Erwachen und Verstehen. Ich will der Realität begegnen. Dort wo es manchmal schwierig erscheint, ist es wichtig hinzusehen. Es mag einfach klingen, die Brille abzusetzen und all die Probleme unserer Gesellschaft und unseres Planeten zu ignorieren. Jene welche in diesen Momenten die Brille abnehmen und die Bügel schliessen, haben ihre Augen vor der Verantwortung verschlossen. Jene, welche den Mut haben klar und suchend durch die Brille zu blicken, sind diejenigen, welche die Möglichkeit haben, etwas zu verändern. Die offenen Augen ermöglichen Wahrnehmung, Interaktion und Kommunikation und wirken einem weit verbreiteten Wesenszug des Menschen, seiner Gleichgültigkeit, entgegen. Liebend gerne bestaune und teile ich jedoch all die schönen und heiteren Momente des Lebens. Immer wieder suche und finde ich die Liebe und somit unbeschreibliches Glück.

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