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Volle Fahrt voraus nach «Nirgendwo»

«Du gehst jetzt auf eine Reise und du weist nicht für wie lang…» , diese Worte ertönen aus einem Lied des Theaterstücks «Narrenschiff» .


Leichte Kost

Ich sitze im Saal des Schauspielhaus Basel. Die Lichter gehen aus. Unüblich für ein Theater, beginnt das Stück vor dem roten, ungeöffneten Vorhang. Hinter dem Vorhang schlüpft eine lustig und farbenfroh gekleidete Frau hervor. Wie ich später erfahre, handelt es sich hierbei um eine Schauspielerin, die den Schriftsteller Sebastianus Brant verkörpert. Die ersten Sätze fallen und schon bricht das Publikum in Gelächter aus. Ich komme mir fast schon vor wie bei einer STAND UP COMEDY-SHOW. Sebastianus Brandt liest Zitate aus einer Zeitung vor, reagiert darauf mit witzigen Sprüchen in alter Versform, jedoch auch mit gepflegter Umgangssprache. Er interagiert mit dem Publikum. Plötzlich wird es unruhig in den Publikumsreihen, denn die Schauspielerinnen und Schauspieler des Stücks kämpfen sich durch die Publikumsreihen zur Bühne vor.


Tücken eines Individuums

Am Sonntag, dem 20. November, habe ich dank dem Theaterabonnement der Schule, das Satire-Stück «Narrenschiff» am Theater Basel sehen können. Die Inszenierungen von Marthe Meinhold und Marius Schötz basiert auf Sebastian Brants Bestseller. Die mittelalterlichen Versformen des 1494 in Basel gedruckten Buches werden im Theaterstück mit Dialogen und kunstvollem Gesang ergänzt. Sebastian Brants Original kritisiert in über 100 Narren-Typologien die Laster und Schandtaten seiner Mitmenschen und stellt die Narren und Närrinnen als bösartige und unreflektierte Geschöpfe dar. Meinholds und Schötzs Theaterversion beschreibt hingegen die Probleme der heutigen Gesellschaft und prangert Themen wie Rücksichtslosigkeit, Grössenwahn, Umweltverschmutzung in den Meeren, Selbstverliebtheit und Selbstmord an. Zudem sind die Narren und Närrinnen amüsante und leichtsinnige Wesen, welche einem fast schon leidtun und ein wenig kindlich wirken. Begleitet werden die Schauspieler und Schauspielerinnen Barbara Colceriu, Annika Meier, Andrea Bettini und Anatol Schneider von der Musikerin Jia Lim, welche mit abwechselnden Klängen des Klaviers und des Akkordeons das Publikum in die Welt der Narreteien führt.


Ein hölzernes Schiff treibt auf hoher See und führt fünf Personen mit, Närrinnen und Narren. Sie begeben sich auf eine ziellose Reise, um schlussendlich durch die Mitreisenden zur Selbstkenntnis zu gelangen und somit wieder gesellschaftsfähig zu werden. Sebastianus Brant, der Schriftsteller unter den Passagieren, sammelt auf dieser Reise Ideen und Inspirationen. Er recherchiert über die Schwächen der Menschheit für seinen Bestseller. Die Schiffsreise wird von Liebschaften, stürmischen Tagen und schönem Gesang begleitet. Jeder Narr und jede Närrin haben ihre Laster. Mit dem Narzissmus, dem Grössenwahn, der Selbstverliebtheit, dem Messi-Syndrom und der Rücksichtlosigkeit haben sie umzugehen. Schliesslich können sie ihre Laster abwerfen. Nebst der Unterhaltung dient das Stück ebenfalls als Wachrüttler. Wir dürfen die Augen nicht vor der Realität verschliessen und müssen die angesprochenen Themen ernst nehmen.


Immer wieder einmal etwas Neues

Das Theater Basel ist bekannt für einfach gestaltete, jedoch stark wirkende Bühnenbilder. Beim «Narrenschiff» haben die Bühnenbildenden jedoch aus dem Vollen geschöpft. Die Aufmachung wirkt puppentheaterhaft. Die Narren und Närrinnen tanzen und bewegen sich in ihren farbenfrohen, hautengen und karogemusterten Anzügen auf einem mehrere Meter hohen Holzschiff herum. Dieses gleitet fast schwerelos über die Bühne. Es bricht die hölzernen, rollenden Wellen. Bei stürmischer Wetterlage leuchten entlang ihrer Konturen LED-Lichter auf und verleihen der düsteren Stimmung eine imposante Wirkung. Im Hintergrund erkennt man die See. Doch damit nicht genug! Einmal die Rollen tauschen – durch die Querbesetzung der Rollen verliert die Bedeutung der Geschlechter an Wichtigkeit.


Gut, besser am besten

Die Handlungs-Übergänge wechseln zum Teil etwas plötzlich. Kaum hat ein Narr den anderen Mitreisenden von seinem Laster berichtet, beginnt schon die nächste Närrin ihr Herz auszuschütten. Die Narren und Närrinnen sind stets in Gesellschaft, während im echten Leben diese Menschen-Typen oft ausgegrenzt werden und ein Gefühl der Einsamkeit verspüren. Die Narren und Närrinnen spielen mit offenen Karten und sprechen transparent über die Wahrheit. Nichts wird verheimlicht, sogar die beiden unverkleideten Bühnenarbeiter sind mit ins Geschehen eingebaut. Das ist ein ungewohnter und gewagter Anblick.

Die Reise hat kein ortbestimmtes Ziel und die Reisedauer ist unbestimmt. Nun besteht die grosse Herausforderung darin, die Wirkung einer solchen Reise zu erzeugen, ohne das Publikum mit Wartezeiten zu langweilen. Dies ist dem Ensemble sehr gut gelungen. Es begeistert das Publikum mit herausragendem Gesang, speziell Barbara Colceriu, schauspielerischem Talent und Können sowie einer grossen Portion Leidenschaft und Präzision. Dafür ernten die Schauspieler und Schauspielerinnen einen tosenden Applaus.

Der Gesang am Ende der Aufführung überbringt dem Publikum die aussagekräftige Botschaft des Theaterstücks: Um unsere Welt zu verändern/ verbessern müssen wir, die Menschen, närrisch sein. Wir dürfen also nicht blind gehorchen und uns aus reiner Bequemlichkeit immer der Norm anpassen.


Ein Theaterstück für Jung und Alt

Das Theaterstück «Narrenschiff», inszeniert von Marthe Meinhold und Marius Schötz, ist eine Empfehlung für Theaterliebhaber. Beim Anschauen dieses Stücks erlebt man einen Abend mit einer Mischung aus viel Witz, ernsten Themen und schönem Gesang. Durch das aufwendige Bühnenbild fühlt man sich ein wenig in die Kindheit zurückversetzt. Noch bis zum 25. Februar ist das Theaterstück im Schauspielhaus des Theater Basel zu bestaunen und nimmt dich mit auf eine Reise durch die Welt der Narreteien.




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